Wenn Menschen im Weltraum zu weiter entfernten Zielen unterwegs sind, benötigen sie stabile Lebenserhaltungssysteme. Solche Systeme, die aus höheren Pflanzen, Mikroorganismen und Algen bestehen, versorgen die Raumfahrer mit Nahrung und Sauerstoff, übernehmen das Abfall- und CO2-Recycling und tragen zur Energieversorgung bei. Als Komponente eines modularen Lebenserhaltungssystems eignen sich einzellige Grünalgen besonders gut: Sie bauen mithilfe von Lichtenergie Biomasse auf, setzen Sauerstoff frei und verbrauchen CO2.
Die Forschung zu Lebenserhaltungssystemen für die Raumfahrt konzentrierte sich bisher auf in sich geschlossene Gesamtsysteme, die neben Pflanzen und Mikroalgen auch Sauerstoff verbrauchende Lebewesen wie Bakterien oder Fischlarven enthalten. Weil solche Systeme äußerst komplex sind, sagen diese Arbeiten allerdings wenig über die Leistungsfähigkeit der einzelnen Komponenten aus. Das neue Projekt ModuLES, bei dem das KIT als Koordinator fungiert, fokussiert hingegen auf Mikroalgen als Einzelkomponente. Ziel des Projekts im Auftrag des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), an dem auch Forscher der Ruhr-Universität Bochum und der Hochschule Bremen beteiligt sind, ist die Entwicklung eines flexiblen und robusten Photobioreaktorsystems für die Grünalge Chlamydomonas reinhardtii. Dieser photosynthetische Einzeller lässt sich als Sauerstofflieferant sowie zur Produktion von molekularem Wasserstoff nutzen. Überdies eignet sich die Alge aufgrund ihrer Biomassezusammensetzung als vitaminreiche Nahrungsergänzung für Raumfahrer.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Bereichs Bioverfahrenstechnik des KIT unter Leitung von Professor Clemens Posten entwickeln und bauen im Rahmen von ModuLES einen Plattenreaktor mit Peripherie, wie Pumpen und Vorlagegefäßen, sowie mit künstlicher Beleuchtung durch LEDs. Da die Algen später im Weltraum kultiviert werden sollen, stehen die Forscher dabei vor besonderen Herausforderungen: „Die erhöhte Strahlung könnte die Algen schädigen, die Mikrogravitation, das heißt verminderte Schwerkraft, beeinflusst die Orientierung der Zellen, erschwert den Stofftransport und den Wärmeaustausch“, erklärt Professor Posten.
Weil unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit kein Auftrieb von Gasblasen erfolgt, setzen die Forscher eine Membran zur Begasung der Algenkultur ein, die einen blasenfreien und geregelten Stofftransport ermöglicht. Um die Algen in einem modularen Lebenserhaltungssystem für Raumstationen und lange Weltraumflüge einsetzen zu können, ist Langzeitstabilität besonders wichtig. Daher soll unter anderem das Kultivierungsmedium immer wieder verwendet und jeweils neu mit Nährstoffen angereichert werden.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie fördert das Projekt mit 800.000 Euro. ModuLES startet im April 2012 und läuft drei Jahre. Nach ersten Experimenten auf der Erde werden die Wissenschaftler das mikroalgenbasierte Photobioreaktorsystem bei Parabelflügen mit dem Airbus ZERO-G testen. Dabei untersuchen sie den Einfluss der Mikrogravitation auf die photosynthetische Aktivität und die Respiration der Algen sowie auf eine mögliche Wasserstoffproduktion. Wenn die Algen die Parabelflüge überstanden haben, folgen Tests auf Satelliten oder der Internationalen Raumstation ISS.
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