Aktiv gegen den „Zucker“

Von unserer dtd-Korrespondentin Paula Schmidt

(dtd). Das Wort „Zucker“ hat für immer mehr Menschen alles andere als einen süßen Klang: Die Zahl der Diabetiker steigt rasant. Derzeit wird in Deutschland der Anteil der Erwachsenen mit bekanntem Typ 2 Diabetes auf sieben bis acht Prozent geschätzt. Laut einer aktuellen Prognose der Internationalen Diabetes Föderation (IDF) wird sich die Anzahl der Erwachsenen mit Diabetes im Jahr 2030 um 580.000 Personen auf insgesamt 5,6 Millionen erhöhen. Viele Menschen leiden bereits an Vorstadien dieser Stoffwechselerkrankung, von denen sie nichts ahnen. Weil auch zunehmend junge Menschen betroffen sind, wird Vorbeugung wichtiger denn je. Der Weltdiabetestag am 14. November 2012 macht darauf aufmerksam.
(Bild 1)

Die alten Griechen haben es „Diabetes mellitus“ genannt – „honigsüßer Durchfluss“. Es beschreibt die Tatsache, dass bei Diabetikern der Blutzuckerspiegel steigt, so dass sie Zucker im Urin ausscheiden. Die Ursache dafür: Die Körperzellen sind nicht mehr in der Lage, den Zucker zu Energie zu verbrennen. Denn für diesen Vorgang brauchen sie das Hormon Insulin, das in der Bauchspeicheldrüse entsteht. Bei Diabetikern, die vom Typ 1 der Krankheit betroffen sind, werden die Insulin produzierenden Zellen von körpereigenen Abwehrstoffen zerstört. Rund 95 Prozent aller Zuckerpatienten haben aber den Typ 2-Diabetes. Ihr Organismus wird im Lauf der Zeit immer unempfindlicher gegenüber Insulin, so dass sich der Blutzuckerspiegel ständig erhöht. Mit fatalen Folgen: Schon im frühen Stadium kann der Diabetes die Gefäße schädigen. Und das Risiko, einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt zu erleiden, erhöht sich. „Zucker“ gilt als eine typische Wohlstandskrankheit, verursacht vor allem durch falsche Ernährung und zu wenig Bewegung – aber auch durch eine familiäre Veranlagung. Ein gängiges Vorurteil über diese Krankheit lautet immer noch: „Zucker bekommen nur ältere Menschen“, doch das stimmt nicht: Seitdem viele Kinder nur noch virtuell Fußball spielen, sich wenig bewegen und ihren Hunger mit Fast Food bekämpfen, erkranken auch ganz junge, übergewichtige Menschen an Diabetes Typ 2, dem fälschlicherweise immer noch so genannten „Alterszucker“.

Vorbeugen bedeutet: Bewegung und gesund essen

„Diabetes verursacht keine Schmerzen, deshalb ist die Früherkennung auch so schwierig“, erklärt der Düsseldorfer Diabetologe und Privat-Dozent Dr. Werner Kleophas. Die Betroffenen fühlen sich müde und sind schnell angestrengt – Symptome, die so wenig charakteristisch sind, dass die Krankheit oft nur durch Zufall entdeckt wird. Wer zu Übergewicht neigt und Krankheitsfälle innerhalb der Familie hat, sollte sich jedoch regelmäßig vorsorglich testen lassen, empfiehlt der Diabetologe. Ebenso wie Dr. Rainer Lundershausen, Sprecher der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DGG), setzt Kleophas auf Vorbeugung und auf die Schulungsprogramme der Diabetes-Schwerpunktpraxen: Sie zeigen Zucker-Erkrankten und Risikopatienten, wie sie sich gesund ernähren und richtig bewegen – das A und O, um Diabetes wirksam zu verhindern oder zu bekämpfen. Denn wer nicht körperlich aktiv ist, neigt schnell zu Übergewicht und ist damit ein potenzieller Diabetes-Kandidat. „Eine Untersuchung hat gezeigt, dass ein Bundesbürger am Tag durchschnittlich 400 Meter läuft. Das ist zu wenig“, sagt auch Professor Stephan Martin, Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums (WDGZ) in Düsseldorf. Das Diabetes-Programm Deutschland zeigt, wie wirksam professionelles Lauftraining in diesem Zusammenhang ist: 89 Männer und Frauen mit Diabetes nahmen nach einer mehrmonatigen Vorbereitung an verschiedenen Marathonläufen in 2012 teil und haben ihre Gesundheitswerte durch den Sport deutlich verbessert. Viele der Teilnehmer mit Diabetes-Typ-2 konnten ihre Medikamente drastisch reduzieren und einige sogar ganz absetzen.
(Bild 2 und 3)

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Ernährung: Wer sich für fettarme und ballaststoffreiche, vollwertige und gesunde Mischkost entscheidet und sich gleichzeitig regelmäßig bewegt, kann schnell fünf bis zehn Kilogramm abnehmen und dadurch weitgehend normale Blutzuckerwerte erreichen. Professor Martin vom Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrum empfiehlt, auf Fertigprodukte zu verzichten und wenig Zucker zu sich zu nehmen. Schokolade in Maßen ist jedoch erlaubt – allerdings sollte es Bitterschokolade sein. Eine Studie der Universität Köln hat nämlich gezeigt, dass diese in der Lage ist, den Blutdruck leicht zu senken. So kommt es, dass Menschen, die regelmäßig zu einem Riegel dunkler Schoko greifen, weniger Herzinfarkte oder Schlaganfälle haben.

Klassische und neuere Therapien

Zu den medikamentösen Therapien zählt beim Typ-1-Diabetes der Ersatz des fehlenden Insulins durch Injektionen mit einer Spritze, einem Pen oder mithilfe einer Insulinpumpe. Die Typ-2-Diabetiker erhalten zum Beispiel das Anti-Diabetikum Metformin. Es hindert die Leber daran, gespeicherte Glukose auszuschütten und hilft dem Körper außerdem dabei, Insulin zu nutzen, um den Zucker in die Zellen zu bringen.
Neben dieser „klassischen“ Therapie gibt es aber auch weitere Ansätze: „Seit mehreren Jahren nutzen wir Substanzen aus der Gruppe der so genannten Glitazone. Sie senken die Fettwerte und den Blutdruck bei Menschen, die gegen Insulin resistent sind. Gleichzeitig werden die Gefäße geschützt“, erklärt Dr. Lundershausen. Allerdings sind Medikamente mit diesen Inhaltsstoffen nicht für Patienten mit Herzproblemen geeignet. Eine weitere Möglichkeit: Tabletten oder Spritzen mit einem Wirkstoff, der auf dem Hormon GLP 1 basiert, das im Darm produziert wird. Dieser wirkt zum Beispiel darauf ein, dass in der Bauchspeicheldrüse mehr Insulin entsteht. Gleichzeitig wird verhindert, dass die Leber zuviel Glukose produziert. Außerdem hat man weniger Appetit, weil der Magen seinen Inhalt später in den Darm entleert. Das Resultat: Auch bei Patienten, die Probleme mit dem Abnehmen haben, purzeln die Kilos. Generell gilt laut Dr. Lundershausen: „Ist die Krankheit diagnostiziert, sollte man sich in einer Diabetes-Schwerpunktpraxis beraten lassen, was am besten zu tun ist. Danach kann der Hausarzt die weitere Behandlung übernehmen.“
(Bild 4)

Wie günstig die Krankheit im Alltag verläuft, hängt indes wesentlich vom Patienten selbst ab: Er muss seine Glukosewerte regelmäßig mithilfe eines Blutzuckermessgerätes überprüfen, sie notieren und mit seinem Arzt besprechen. Inzwischen gibt es sogar schon eine Applikation für Smartphones, mit deren Hilfe Werte ermittelt und an die Praxis verschickt werden können. Vor allem aber gilt – gesund essen sowie von der Couch herab- und in die Turnschuhe steigen…

Scroll to Top
Scroll to Top