Ernährung kann Verlauf der Multiplen Sklerose beeinflussen

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Darmbakterien spielen eine erhebliche Rolle. Der menschliche Darm mit seiner bakteriellen Besiedlung, dem so genannten Mikrobiom, rückt immer weiter in den Fokus der medizinischen Forschung. Insbesondere auch bei neurologischen Erkrankungen wie der Multiplen Sklerose. Hier mehren sich die wissenschaftlichen Hinweise dafür, dass das Mikrobiom des Darms einen erheblichen Einfluss auf die Krankheitsentstehung und den weitern Verlauf nehmen könnte. Dabei unterliegt die Interaktion, die zwischen dem Inhalt des Darms und dem ortsständigen Immunsystem stattfindet, unterschiedlichen Einflussfaktoren. Kaum ein Umweltfaktor hat sich in den letzten Jahrzehnten dabei so sehr gewandelt, wie die Ernährung in den industrialisierten Nationen.

Kurzkettige Fettsäuren können Entzündungsreaktionen unterdrücken

In der aktuellen Studie konnte sowohl in der Zellkulturschale als auch im experimentellen Modell gezeigt werden, dass langkettige Fettsäuren wie die Laurinsäure die Entstehung und Vermehrung von entzündlichen Zellen in der Darmwand fördern. Im Gegensatz dazu führen kurzkettige Fettsäuren, allen voran die Propionsäure (oder deren Salz Propionat) zur Entstehung und Verbreitung von regulatorischen Zellen des Immunsystems in der Darmwand. Diese können sowohl überschießende Entzündungsreaktionen als auch autoreaktive Zellen, die körpereigenes Gewebe schädigen, unterdrücken.

Stoffwechselprodukte der Bakterien ausschlaggebend

Interessanterweise konnten diese Beobachtungen im Tierexperiment nicht gemacht werden, sobald der Darm völlig keimfrei war. Dies spricht für eine direkte Beteiligung des Mikrobioms an der Entfaltung der Fettsäure-Wirkung. Weitere Untersuchungen zeigen, dass die Effekte der Fettsäuren weniger auf die einzelnen Keime des Mikrobioms zurück zu führen sind, sondern eher über Stoffwechselprodukte der Bakterien vermittelt werden.

Aussicht auf neue Therapien

Heute gehen Forscher im Hinblick auf die Multiple Sklerose und andere Autoimmunerkrankungen davon aus, dass sie auf ein Ungleichgewicht zwischen den (geschwächten) regulatorischen und den autoimmun-entzündlichen Immunmechanismen zurückzuführen sind. Die überwiegende Mehrheit zugelassener Therapien für diese Indikationen zielt auf eine Schwächung beziehungsweise Blockierung der pro-entzündlichen Komponente des Immunsystems ab. Eine Stärkung der regulatorischen Komponenten, zum Beispiel mittels Propionat als Zusatz zu den etablierten Medikamenten, könnte eine bessere Therapie bedeuten. Die gewonnenen Erkenntnisse wollen die Forscher in Bochum und Erlangen nun nutzen, um innovative diätetische add-on Therapien zu den bekannten Immuntherapeutika zu entwickeln.

Weitere Informationen

Prof. Dr. med. Aiden Haghikia, Neurologische Klinik der Ruhr-Universität Bochum, St. Josef-Hospital Bochum, Gudrunstr. 56, 44791 Bochum, Tel. 0234/509-2411
aiden.haghikia@ruhr-uni-bochum.de

Prof. Dr. med. Ralf Linker, Neurologische Klinik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen, Universitätsklinikum Erlangen, Schwabachanlage 6, 91054 Erlangen, Tel. (09131) 85-32187
Ralf.Linker@uk-erlangen.de

Titelaufnahme

A. Haghikia, R. Linker et al. (2015): Dietary fatty acids directly impact central nervous system autoimmunity via the small intestine, Immunity, DOI: 10.1016/j.immuni.2015.09.007

 

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