Therapie mit Faktor-Xa-Inhibitor kann Kombination aus Heparin und Vitamin-K-Antagonisten bei der venösen Thromboembolie ersetzen

Die Lungenembolie ist eine klinische Erscheinungsform der venösen Thromboembolie (VTE), die meist als gefürchtete Folge einer tiefen Venenthrombose (TVT) auftritt. Unter dem Begriff venöse Thromboembolien werden sowohl tiefe Venenthrombosen als auch Lungenembolien verstanden. Eine tiefe Venenthrombose (DVT, deep vein thrombosis) entsteht durch die Bildung eines Blutgerinnsels in einer der großen, tiefen Beinvenen. Aus einer DVT kann sich als schwere Komplikation die Lungenembolie entwickeln, wenn sich der Thrombus ganz oder teilweise losreißt und mit dem Blutstrom durch das Herz in die Lunge gelangt. Dort kann der Thrombus dann eine Lungenarterie ganz oder auch teilweise blockieren. Insbesondere bei großen oder multiplen Blutgerinnseln beziehungsweise bei Vorerkrankungen des Herzens oder der Lunge kann eine Lungenembolie tödlich sein.

Die jährliche Inzidenz der Lungenembolie beträgt ca. 70 Fälle auf 100.000. Die Diagnose einer Lungenembolie führt in aller Regel zur Einweisung in die Klinik. Patienten mit einer Lungenembolie haben ein erhöhtes Risiko für Rezidive, die dann fatal enden können. Jeder klinische Verdacht auf eine Lungenarterienembolie muss daher umgehend abgeklärt und eine effektive Therapie zum Schutz vor einem erneuten Ereignis eingeleitet werden.

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Bei einer gesicherten Lungenembolie ist eine sofortige Antikoagulation erforderlich. Seit einem halben Jahrhundert besteht die Therapie in der sofortigen Gabe von Heparin (früher unfraktioniertes Heparin (UFH), heute niedermolekulares Heparin (NMH)) oder Fondaparinux. Ziel der anschließenden längerfristigen Antikoagulation ist es, Rezidive zu verhindern und Spätfolgen, wie die chronische thromboembolische pulmonale Hypertonie, zu vermeiden. Diese Langzeitprophylaxe erfolgt mit oralen Vitamin-K-Antagonisten (VKA), die bereits während der Initialbehandlung überlappend verabreicht werden.

Dieses Behandlungsregime ist effektiv aber komplex. Zahlreiche Nachteile umfassen die Behandlung mit anfänglich zwei Antikoagulanzien, wobei UFH, NMH und Fondaparinux injiziert werden müssen. Bei der längerfristigen Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten fallen vor allem deren geringe therapeutische Breite, die Notwendigkeit eines Gerinnungsmonitorings und von Dosisanpassungen sowie die zahlreichen Wechselwirkungen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten ins Gewicht. Der direkte Faktor-Xa-Inhibitor Rivaroxaban kann zukünftig nach erfolgter Zulassung neue Perspektiven zur Antikoagulation auch bei der Lungenembolie eröffnen. Die Phase-III-Studie EINSTEIN-DVT hat bereits gezeigt, dass Rivaroxaban in der Akutbehandlung der TVT als Einzelsubstanz ebenso wirksam ist wie die Kombination aus NMH und VKA – und dies bei überlegenem klinischen Nutzen. In der EINSTEINEXTENSION- Studie zur Langzeitbehandlung der VTE reduzierte Rivaroxaban das Risiko für neuerliche VTE im Vergleich zu Placebo um 82 %.

Behandlung der Lungenembolie mit Faktor-Xa-Inhibitor: Einzelsubstanz ebenso wirksam wie Kombination aus NMH und VKA

Die aktuelle Phase-III-EINSTEIN-PE-Studie konnte nun zeigen, dass der Faktor-Xa-Inhibitor in der Behandlung der Lungenembolie als Einzelsubstanz ebenso wirksam ist wie die Kombination aus NMH und VKA. In der Rivaroxaban-Gruppe traten aber schwere Blutungen nur halb so häufig auf wie unter der Standardtherapie. Rivaroxaban erwies sich somit als verträglicher im Vergleich mit der Kombination NMH/VKA. Hinweise auf eine Lebertoxizität wurden nicht beobachtet.

Damit hat Rivaroxaban das Potenzial, das Nutzen-Risiko-Profil der Antikoagulation sowohl bei der tiefen Venenthrombose wie auch bei der Lungenembolie entscheidend zu verbessern und die Therapie erheblich zu vereinfachen.

Quelle

Meet-the-Expert – Expertengespräch zum ESC 2012:
Ein Update zur venösen und arteriellen Antikoagulation
München, 24. August 2012
Lungenembolie: Behandlungsstrategie heute – mit einer Substanz von Anfang an
Prof. Dr. med. Ulrich Hoffmann, München

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