Mehr als zwei Drittel aller Schulkinder leiden regelmäßig an Kopfschmerzen

Befragt wurden in der vorliegenden Erhebung [1] insgesamt 5.419 Schülerinnen und Schüler zwischen März 2015 und März 2016, die in Dresden eine Grund- oder weiterführend Schule besuchten. Von ihnen beantworteten 2.706 den Fragebogen und gaben ihn zur Auswertung ab. Erhoben wurde, wie oft bei Kindern und Jugendlichen in den vergangenen drei Monaten Kopfschmerzen auftraten, in welcher Stärke und welche Maßnahmen ergriffen wurden – und das Ergebnis rüttelt auf: Nur knapp 32% der Befragten gaben an, gar nicht unter Kopfschmerzen zu leiden, fast 37% hatten einmal pro Monat Kopfschmerzen, fast 32% sogar mehr als zweimal im Monat. Diese letztgenannte Gruppe wurde noch weiter untersucht. 55% hatten an 2-5 Tagen pro Monat Kopfschmerzen, 27% an 5-10 Tagen. 7% der Befragten in der Gruppe, die mehr als zweimal im Monat Kopfschmerzen hat, gab sogar an, an mehr als 15 Tagen pro Monat unter Kopfschmerzen zu leiden.

Auffällig war zudem, dass die Kopfschmerzhäufigkeit mit der Schulform variierte: In Grundschulen hatten fast 64% der Schüler regelmäßig Kopfschmerzen, in den Gymnasien fast 68% und in den weiterführenden Regelschulen nahezu 80%. Mädchen waren insgesamt häufiger betroffen als Jungen.

Insgesamt gaben 624 Kinder und Jugendliche an, Schmerzmedikamente oder homöopathische Mittel gegen Schmerzen einzunehmen, bei akuten Kopfschmerzattacken waren die am häufigsten verwendeten Mittel Ibuprofen (49%) und Paracetamol (32%). In der Gruppe, die nur einmal im Monat unter Kopfschmerzen litt, nahm knapp ein Fünftel Schmerzmittel ein, in der Gruppe derer, die mehr als zweimal im Monat von Kopfschmerzen gequält wurden, gab fast die Hälfte an, regelmäßig Schmerzmittel einzunehmen. Auffällig war dabei, dass nahezu alle Kinder, die nur einmal im Monat Kopfschmerzen aufwiesen, und etwa 80% derjenigen, die mehr als zweimal im Monat Kopfschmerzen hatten, keinen Arzt aufgesucht hatten.

Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), sieht hier eine Fehlentwicklung. „Die Werbung der Schmerzmittelhersteller suggeriert, dass jeder seine Kopfschmerzen selbst therapieren kann und man keine Diagnose vom Arzt benötigt. Das ist sicher falsch, eine Migräne wird anders behandelt als ein Clusterkopfschmerz.“ Auch warnt er vor einer unbedachten Schmerzmitteleinnahme, da Kopfschmerzmedikamente, wenn sie häufig eingenommen werden, ihrerseits Kopfschmerzen verursachen und verstärken können. „Im Kindesalter wird oft schon der Grundstein für eine laxe Haltung gegenüber Schmerzmitteln gelegt, die dann in späteren Lebensphasen zum Schmerzmittelübergebrauch führen kann.“

Priv.-Doz. Dr. Gudrun Goßrau, Studienautorin und Leiterin der Kopfschmerzambulanz am Interdisziplinären Universitätsschmerzcentrum in Dresden, führt aus, dass die mangelnde Bereitschaft, sich ärztlich behandeln zu lassen, auch Ausdruck eines fehlenden Bewusstseins für Kopfschmerzen als ernstzunehmende Krankheit in unserer Gesellschaft sei. „Doch Kopfschmerzen sind bereits in Kindheit und Jugend ein relevantes Gesundheitsproblem. Wie unsere Erhebung gezeigt hat, sind bei jungen ebenso wie bei älteren Menschen Lebensqualität und Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigt.“ Beispielsweise zeigte die Studie auch, dass über ein Fünftel aller Kinder und Jugendlichen, die mehr als zweimal im Monat Kopfschmerzen hatten, wegen Kopfschmerzen häufiger in der Schule fehlen. „Oft führen Kopfschmerzen dann in einen Teufelskreis. Schulfehltage können zu Leistungsabfall, Schulversagen, Schulangst führen, viele betroffene Kinder isolieren sich sozial, auch die Gefahr einer Depression ist erhöht.“ Umso wichtiger sind eine rechtzeitige ärztliche Diagnose und individuelle Therapie dieser Kinder und Jugendlichen.

Die hohe Kopfschmerzrate bei Schülern, die diese Studie zeigte, ebenso wie der Anstieg der Kopfschmerzprävalenz bei jungen Menschen, der in vielen anderen epidemiologischen Studien beobachtet wurde, werfen zudem gesellschaftliche Fragen auf. Wie Prof. Dr. Ulrike Schara, Essen, Präsidentin der Gesellschaft für Neuropädiatrie, erklärt, weise der Anstieg der Kopfschmerzrate bei Kindern in den letzten Jahren darauf hin, dass eher keine genetischen Faktoren verantwortlich zu machen sind. Vielmehr dürften Lebensstilfaktoren eine wesentliche Rolle spielen. „Neben Alkohol, Koffein, Rauchen und Bewegungsarmut gelten vor allen Schulstress und emotionaler Stress (z.B. durch Familienkonflikte) als häufige Kopfschmerzursachen. An diesen Punkten muss eine gesamtgesellschaftliche Präventionsstrategie ansetzen.“

Literatur
[1] Nieswand V, Richter M, Berner R, von der Hagen M, Klimova A, Roeder I, Koch T, Sabatowski R, Gossrau G. The prevalence of headache in German pupils of different ages and school types. Cephalalgia. 2019 Jul;39(8):1030-1040. doi: 10.1177/0333102419837156
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Originalpublikation:
doi: 10.1177/0333102419837156

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